Die Restaurierung historischer Fenster nach den Grundsätzen der Fensterhandwerker in Deutschland

1. Bewahrung der Authentizität

Fensterhandwerker bewahren die Authentizität, die hohe bauzeitliche Qualität und die Substanz historischer Fensterbestände ausschließlich unter Verwendung historischer Materialien. Sowohl historische, als auch moderne und eigens entwickelte Handwerkstechniken kommen zum Einsatz.


2. So viel wie möglich erhalten

Fensterhandwerker erhalten so viel historische Substanz und Patina wie möglich und ersetzen mit historischem Material nur so viel schadhaftes Material wie nötig, um die Funktion des historischen Fensters zu gewährleisten.


3. Ersatz durch altes Material

Fensterhandwerker ersetzen historisches Material durch wiederverwendetes historisches Material und nicht durch „modernes“ Material.

Historisches Glas wird nicht durch modernes Glas (Floatglas, Isolierglas, historisierendes Glas) ersetzt, sondern durch geborgenes historisches Glas.


4. Instandsetzung aus einer Hand

Fensterhandwerker behandeln das historische Fenster als eine Einheit. Die Fensterrestaurierung ist für sie eine unteilbare Gesamtaufgabe. Die Restaurierung sämtlicher Bestandteile von historischen Fenstern erfolgt daher beim Fensterhandwerker aus einer Hand.


5. Das Material bestimmt die Instandsetzungsdauer

Die Dauer und das Ausmaß einer Instandsetzung wird in erster Linie durch das von den Fensterhandwerkern verwendete Material und durch das historische Fenster selbst bestimmt. Das Restaurierungskonzept der Fensterhandwerker gibt den Zeitrahmen der Restaurierungsmaßnahme vor. Der zeitliche Ablauf einer Instandsetzungsarbeit lässt sich daher nicht durch Zeitvorgaben beschleunigen.


6. Keine irreversiblen Eingriffe

Fensterhandwerker entfernen kein historisches Material, um die bauphysikalischen Eigenschaften des historischen Fensters zu beeinflussen. (Einfräsen von Nuten und Falze, Vertiefung von Kittfalzen, etc.) Ergänzungen, die der bauphysikalischen Verbesserung dienen, werden nach Abwägung von Aufwand und Nutzen reversibel gestaltet.


7. Muster - Restaurierung

Fensterhandwerker empfehlen nachdrücklich ein Musterfenster anfertigen zu lassen.

Es bietet eine realistische Kalkulationsgrundlage für die tatsächlichen Zeitaufwand und die Kosten einer Restaurierung.

Ein Musterfenster spart daher erhebliche Kosten und Folgekosten.

Es stellt ein sichtbares Ergebnis einer handwerklich-restauratorischen Leistung dar und die fachliche Qualifikation der authentischen Instandsetzung wird erkennbar.

Ein Qualitätsstandard wird hierdurch gesetzt.

Das Leistungsverzeichnis einer vorgeschriebenen Ausschreibung lässt sich effektiver und präziser gestalten nachdem ein Musterfenster angefertigt wurde.

Es verringert die Gefahr von Fehleinschätzungen für den Bauherrn und für den Auftragnehmer.


8. Niemals Lauge

Fensterhandwerker entfernen Farbanstriche ausschließlich thermisch. Sie verwenden Infrarot-Strahlung in Verbindung mit Leinöl (gemäß TRGS 505) zur Entfernung von altem Leinölkitt und alten Farbschichten. Niemals darf im Denkmalbereich Lauge zur Farbentfernung verwendet werden. Eine effektive Neutralisierung der Lauge ist praktisch nicht durchführbar. Schon die einmalige Verwendung von Lauge hinterlässt irreversible Schäden, die durch kein modernes, schichtbildendes Farbsystem dauerhaft überdeckt werden können. Schichtbildende Farben beschleunigen die Zerstörung der Holzsubstanz und sind daher grundsätzlich in der Denkmalpflege nicht erlaubt.[¹] Die Wiederherstellung der historischen Leinölkonservierung im Rahmen der Vorgaben durch die Denkmalbehörde[²] kann den entstandenen Schaden daher auch nicht beheben oder auf Dauer verdecken. Die innere, unbemerkte Zerstörung der Holzsubstanz unter einem absperrenden Kunstharzlack wird aber dadurch gestoppt. Die einzige Möglichkeit der Erhaltung historischer Fenster, die einmal mit Lauge behandelt wurden, bedeutet bei einer denkmalgerechten Wiederherstellung der Leinölkonservierung einen bleibenden und erhöhten Pflegebedarf aufgrund des permanenten Entweichens der Chemikalien.


9. Reines Leinöl und reine Leinölfarben

Fensterhandwerker konservieren und schützt historische Holzfenster und Eisenfenster ausschließlich mit hochwertigem Leinöl und reiner Leinölfarbe. Reine Leinölfarbe bedarf weder Verdünnungsmittel, noch Lösungsmittel. (Siehe Wikipedia:Leinölfarbe) Leinölfarbe muss mit einem natürlichen Borstenpinsel gestrichen werden, damit ein gleichmäßiges Eindringen des Leinöls gewährleistet ist. Der sichtbare Pinselstrich ist darüber hinaus ein Charakteristikum dieser altbewährten Art, Leinölfarbe aufzutragen und somit eines der Merkmale des authentischen Fensterhandwerks. Im Rahmen der Denkmalpflege muss die Farbe verwendet werden, die ursprünglich vorhanden war. Bei Fenstern war das bis in die 1950er Jahre Leinölfarbe.


10. DIN ist kein Maßstab für die Fensterrestaurierung

Fensterhandwerker verwenden Leinöl, Leinölkitt, und Leinölfarbe, die aufeinander abgestimmt sind. Das „Deutsche Institut für Normung e.V.“ (DIN) und das „Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.“, früher „Reichsausschuss für Lieferbedingungen“ (RAL) stellen keinen Maßstab für die Qualität der verwendeten Produkte und die Arbeit der Fensterhandwerker dar. (Fensterhandwerker verwenden z.B. Kitt, der aus Kreide und kaltgepresstem rohen Leinöl hergestellt wird. Nach DIN 18545 und RAL 849 B/2 muss Leinölkitt aus Leinölfirnis und Kreide hergestellt werden. Leinölfirnis wird grundsätzlich nicht von Fensterhandwerkern verwendet, da er nicht festgelegte Zusätze enthält, die eine günstige Alterung des Kittes verhindern kann.)


11. Keine Wertminderung durch minderwertige Eingriffe

Fensterhandwerker können nicht Maßnahmen vornehmen, veranlassen oder verantworten, die vom Auftraggeber gewünscht, aber nicht mit den Grundsätzen der Fensterhandwerker vereinbar sind. Den Grundsätzen der Fensterhandwerker liegen die höchsten Ansprüche zugrunde, die Baudenkmal-Eigentümer und die historische Substanz erwarten können. „Kompromisse“ in Richtung „Sanierung“ stellen einen kulturellen und substanziellen Wertverlust dar und werden von Fensterhandwerkern abgelehnt. Die Bezeichnung „Fundamentalist“, sehen Fensterhandwerker daher als Qualifikation.


12. Maßstab für die Denkmalpflege

Die konsequente Anwendung traditioneller Handwerkstechniken und die Verwendung bewährter traditioneller Materialien durch die Fensterhandwerker dient auch für die Denkmalpflege in Deutschland als Richtlinie für eine denkmalgerechte Fensterinstandsetzung. (Siehe Landesamt für Denkmalpflege Hessen: ''Bauberater-Fenster in Hessen. Arbeitsblatt I-Erhaltung und Ergänzung''. Wiesbaden 2001/2005)


13. Dokumentation

Fensterhandwerker dokumentieren die Fensterrestaurierung fotografisch oder zeichnerisch.



Die Fensterhandwerker

Ystad, Schweden im November 2009

Restaurierte, nach außen aufgehende Fenster

an einem Baudenkmal im Kreis Lippe (NRW)