Die FensterHandWerker
Reparatur und Pflege historischer Fenster
Die FensterHandWerker
Reparatur und Pflege historischer Fenster
Mit „Sanierung“ ist meistens die substanzielle Veränderung eines Gebäudes oder eines Bauteils gemeint. Dies ist aber kein Ziel der Denkmalpflege.
Unter Hinweis auf „veränderte Wohnansprüche der Mieter“ und „Forderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV)“ werden nach wie vor „Sanierungsmaßnahmen“ an historischen Fensterbeständen durchgeführt, die nicht nur den Wert historischer Bausubstanz missachten, sondern sich im Nachhinein häufig als die Ursache für irreversible Bauschäden erweisen.
Auch die seit dem 1. April 2012 geltende KfW-Förderung für das „Effizienzhaus Denkmal“ mit dem eigens dafür geschaffenen „Energieberater für Baudenkmale“ stellt an historische Fenster „Mindestanforderungen“, die sich nach der Bauphysik moderner Gebäude richten. Nicht die energetische Effizienz historischer Bausubstanz mit ihrer Speichermasse ist im Blick, sondern eine Effizienz des Baudenkmals im Vergleich zum „KfW-Effizienzhaus 115“. Die Effizienz historischer Bauwerke und Bauteile wird mit den Maßstäben für heutiges auf Abdichten und Dämmen ausgerichtetes Bauen beurteilt.
„Die neuen Förderbedingungen sollen die energetische Sanierung von erhaltenswerter historischer Bausubstanz ermöglichen bei Erhalt des baukulturellen Wertes der Gebäude.“ (Siehe Vortrag von Andrea Puffke.)
Was sind die „baukulturellen Werte“ der Gebäude und wer setzt die Maßstäbe? Der „Energieberater für Baudenkmale“ wird über den Erhalt historischer Fensterbestände in Zukunft mitentscheiden wenn es um KfW-Fördergelder geht.
Zukünftig Verantwortliche werden im günstigsten Fall substanzschädigende Eingriffe an historischen Fenstern u. U. rückgängig machen müssen oder sie werden die nicht mehr authentischen und geschädigten Fenster gänzlich austauschen. Zu den zeittypischen Fehlern unserer Epoche gehört diesbezüglich eine Reihe von Pauschalurteilen, Fehleinschätzungen und falschen Schlussfolgerungen hinsichtlich entscheidender bauphysikalischer Gesetzmäßigkeiten im Zusammenhang mit Fenstern. Die Aufgabe der Denkmalpflege ist es, gefährdete Bauteile über diese Periode höchster Gefährdung hinweg zu erhalten.
Eine Fehleinschätzung mit weitreichenden Folgen für historische Bausubstanz lautet: „Fenster mit Einfachglas verursachen hohe Energieverluste an historischen Gebäuden und damit hohe Heizkosten, da sie undicht sind und schlechte U-Werte haben.“ (Siehe: Energieeinsparung im Bestand - Grenzen und Möglichkeiten) Die Bauphysik historischer Gebäude beruhte aber fast ausschließlich auf der Speicherfähigkeit der Materialien und der Energieeffizienz durch elektromagnetische Strahlung (Kachelofen, Einzelofen). Die Bauphysik moderner Gebäude beruht auf der energetischen Effizienz durch Thermodynamik in Form der Konvektionsheizung. Während historische Einfachfenster im Zusammenwirken mit Strahlungswärme (Kachelofen, eine temperierte Wand oder eine Strahlplatte) kaum Energie verlieren, sondern sogar kostenlose Solargewinne ermöglichen, wird ihr Austausch von der Dicht- und Dämmlobby umso lauter gefordert.
Die nachstehenden irreversiblen Eingriffe in die Substanz historischer Fenster wird mit „energetischer Ertüchtigung“ begründet.
Ersetzung des historischen Glases durch Isolierglas.
Ausfräsen der Kittfälze.
Ein solcher Eingriff ist mit den Denkmalschutzgesetzen der Bundesländer aus folgenden Gründen nicht vereinbar und daher abzulehnen:
1.) Die Flügel historischer Fenster sind für das Gewicht von Isolierglasscheiben nicht ausgelegt. Das Tieferfräsen der Kittfälze schwächt den Querschnitt der Rahmenhölzer zusätzlich. Nicht umsonst sind die Querschnitte üblicher Isolierglasfenster stark dimensioniert.
2.) Isolierglasscheiben unterliegen üblicherweise einer Gewährleistungsfrist von fünf Jahren, da sie im Laufe der Zeit allmählich die eingepumpten Gase verlieren und blind werden. Damit stellen sie in absehbarer Zukunft wieder ein Restaurierungsproblem dar. Es ist nicht verwunderlich, dass wir als Fensterhandwerker beauftragt werden, Isolierglasscheiben, die in historische Fenster eingebaut wurden, wieder mit historischem Glas auszutauschen. Unter dem Gesichtspunkt der Energiebilanz ist der ursprüngliche Zweck, Energie einzusparen mit der Umrüstung auf Isolierglas letztendlich ein teuerer Fehlschluss.
3.) Der Austausch von Einfachfenstern mit Isolierfenstern, bzw. der Austausch von Einfachglas mit Isolierglas in historischen Gebäuden führt in den allermeisten Fällen zu einer Veränderung des Feuchtehaushaltes im Gebäude. Einfachfenster hatten die Funktion eines so genannten „Sollkondensators“. Das heißt, dass die überschüssige Feuchtigkeit im Gebäude sichtbar an der kältesten Oberfläche, nämlich den Glasscheiben, kondensierte. Damit blieben die Wände trocken. Werden die Scheiben mit Isolierscheiben ausgetauscht, kondensiert die Feuchtigkeit unweigerlich in den Wänden. Aspergillus niger, der Schwarze Schimmel, erscheint etwa zwei Jahre nach dem Austausch der Einfachscheiben mit Isolierscheiben. Dieser Fehler wird auf Grund der Unkenntnis der physikalischen Zusammenhänge immer wieder gemacht und ist Anlass für viele Reklamationen und Rechtsstreitigkeiten.
4.) Die Funktionalität von Fenstern muss immer im Zusammenhang mit dem Heizsystem beurteilt werden.
Dies gilt besonders für Fenster in historischen Gebäuden: die bauzeitliche Wärmequelle in historischen Gebäuden war in den meisten Fällen Strahlungswärme (Öfen, Kachelöfen). Die langwellige Wärmestrahlung erwärmt nicht die Raumluft, sondern sämtliche Gegenstände, Wände und Körper, auch die Körper der Menschen in den Räumen. Die Wärme wird entweder abgestrahlt oder absorbiert. Damit kann die ohnehin geringe Luftfeuchtigkeit (warme Luft kann mehr Feuchtigkeit speichern) nicht an den Wänden kondensieren. Während die kurzwellige Sonnenstrahlung Einfachglas passiert und beim Auftreffen auf Materie in langwellige Wärmestrahlung umgewandelt wird, kann Wärmestrahlung ihrerseits Einfachglas nicht passieren (Gewächshauseffekt). Damit waren Einfachfenster in Verbindung mit einer Strahlungsheizung (etwa einem Kachelofen) die ideale Lösung für ein angenehmes und gesundes Raumklima. Die ohnehin geringe Luftfeuchtigkeit konnte dadurch abtransportiert werden, dass die Fenster nicht ganz dicht waren. Das Ergebnis: kein Wärmeverlust und ein behagliches Raumklima.
Seit einigen Jahren ist ein verstärkter Trend im Heizungsbau zu erkennen: weg von der Lufterwärmenden, ungesünderen und unbehaglicheren Konvektionsheizung hin zur Körperwärmenden, gesünderen und behaglicheren Strahlungsheizung (z.B. Infrarot-Heizung).
Sollte in Zukunft beschlossen werden, die effektivere, ökonomischere und gesündere Strahlungsheizung in einem Gebäude einzubauen, wären die historischen, undichten Fenster in Bezug auf Energiebilanz und Schimmelvermeidung wieder eine optimale Lösung.
Ein entscheidender Fehler, der in der Berechnung der U-Werte von historischen oder modernen Fenstern gemacht wird, besteht darin, dass Konvektionswärme und Strahlungswärme in der Berechnung gleich behandelt werden. Die elektromagnetische Strahlung, die quantenmechanisch berechnet werden muss und die Konvektionsheizung, die thermodynamisch zu berechnen ist, müssen jedoch vollkommen getrennt betrachtet werden [vgl. Meier, C.: Humane Wärme. Strahlungswärme als energiesparende Heiztechnik. bausubstanz 1999, H. 3, S. 40].
Die Bedeutsamkeit kleiner U-Werte muss, energetisch gesehen, stark relativiert werden, da auch der hohe finanzielle und energetische Aufwand, der ein Austausch einfacher Scheiben durch moderne Isolierscheiben mit sich bringt, in die Kalkulation mit einbezogen werden muss. Der Abstand der Scheiben bei Isolierglasscheiben zu einander ist so gering, dass die Dämmwirkung zudem minimal ist. Der Nutzen steht in keinem Verhältnis zum Aufwand und zur nachhaltigen Schädigung und muss aus Gründen der fatalen Energiebilanz und des Denkmalschutzes grundsätzlich ausscheiden. Das historische Erscheinungsbild einer Fassade wird erheblich durch modernes Floatglas beeinträchtigt, da die charakteristische „Lebendigkeit“ des historischen Glases fehlt.
Einfräsen von Nuten zur Aufnahme von Silikonschlauchdichtungen
Das Einfräsen einer Nut zur Aufnahme von Silikonschlauchdichtungen ist aus mehreren Gründen, die zum Teil bereits erwähnt wurden, abzulehnen:
1.) Eingefräste Nuten stellen einen massiven, irreversiblen Eingriff in die Substanz der historischen Fenster dar. Der Querschnitt der Rahmenhölzer wird zusätzlich geschwächt.
2.) Schlauchdichtungen verursachen einen erheblichen Zug auf die Bänder. Dies ist besonders fatal wo Quetschfälze vorhanden sind. Die Bänder werden im Lauf der Zeit gelockert und beeinträchtigen die Schließfunktion der Flügel.
3.) Eine geschlossene umlaufende Dichtung an historischen Fenstern hat zur Folge, dass der notwendige, permanente Luftaustausch nicht mehr gewährleistet ist und Feuchtigkeit nicht mehr abtransportiert werden kann. Eine Abdichtung historischer Fenster bewirkt eine Verringerung der notwendigen Luftwechselrate und kann damit ein Grund für ein hohes Aufkommen von Tauwasser an den Fensterscheiben darstellen. Dieser erhöhte Anfall von Schwitzwasser hat zur Folge, dass der Dampfdruck im Gebäude erhöht wird. Nach ungefähr zwei Jahren wird der nicht mehr vermeidbare Schimmel an den Zimmerwänden erst sichtbar.
4.) Bei einer Umstellung der Heizanlage auf eine Strahlungsheizung spielt der „Verlust von warmer Luft“ ohnehin keine Rolle, da bei der Strahlungsheizung die Luft nicht erwärmt wird, sondern nur feste (und flüssige) Körper.
Ausleimen der Rahmenecken von historischen Fenstern
Die Eckverbindungen als Schlitz und Zapfen von Holzfenstern wurden mit Holznägeln in hervorragender Weise gesichert und wurden niemals verleimt! Ein nachträgliches Verleimen verkennt die durchdachte und funktionale Bauweise historischer Fenster. Handwerker, die ausschließlich mit der Instandhaltung und Reparatur von historischen Fenstern zu tun haben, wie die Fensterhandwerker, wissen diese handwerklich durchdachten Grundprinzipien zu schätzen.
Anschleifen der Holzoberflächen
Historische Fenster wurden, ähnlich wie Möbel aus der damaligen Zeit, oft mit Profilen versehen, aber im Unterschied zu Möbeln mit Leinölfarbe behandelt. Wenn die Oberflächen komplett sauber geschliffen werden, würden zum einen die Profile „verschliffen“ werden, und zum anderen könnte die damals aufgebrachte Leinölbehandlung nicht als zweckmäßige Grundlage für einen neuen Anstrich mit Leinölfarbe genutzt werden.
Fensterhandwerker schleifen erst nach dem ersten Anstrich aus gutem Grund: sie respektieren den vorhandenen brauchbaren Befund und bauen auf diesem auf, ohne ihn bis auf den Holzuntergrund zu entfernen. Ein Anschleifen der Flächen nach dem ersten Anstrich ist geboten, aber auch vollkommen ausreichend. Ein Anschliff der Oberfläche nach der Farbentfernung ist daher aus fachlichen und kalkulatorischen Gründen falsch.
Entsorgung historischer Verglasung
Die „Entsorgung“ von bauzeitlichem Glas ist leider ein Ausdruck der zeittypischen Geringschätzung und Unterschätzung historischer Bauteile. Historisches Glas hat in historischen Gebäuden nicht nur eine ästhetische sondern auch eine funktionale Bedeutung.
Einkitten von Isolierglasscheiben
Isolierglasscheiben dürfen weder mit reinem Leinölkitt nach schwedischem Qualitätsstandard, noch mit Leinölkitt nach DIN 18545 oder RAL 849 B/2 eingeglast werden.
Wir weisen unsererseits darauf hin, dass eine Missachtung dieses Grundsatzes die ohnehin abzulehnenden Isolierscheiben noch früher verblinden lassen. Sogar die allgemein übliche Gewährleistung für Isolierscheiben von nur fünf Jahren übernimmt in diesem Fall kein Hersteller.
Antwort der Fensterhandwerker an einen Kritiker.pdf
„Sanierung“ bedeutet langfristig eine Wertminderung des Baudenkmals.
„Sanierte“ Balkontür im Obergeschoss.
Originalbalkontür im Untergeschoss.
„Saniertes“ Fenster im Obergeschoss.
Originalfenster im Untergeschoss.